Lehmhaus des Monats

In unserer neuen Rubrik stellen wir jeden Monat ein Lehmhaus aus Mitteldeutschland vor.

Sie wohnen selbst in einem Massivlehmhaus und möchten es hier vorstellen? Ihr Haus hat eine interessante Geschichte die Sie hier erzählen möchten? Wir besuchen Sie gerne. Kontaktieren Sie uns!


Lehmhaus des Monats März 2023

Bauruinen ohne Sondermüll

Verfallende Wellerlehmscheune in Oechlitz, Lkr. Saalekreis

Das Lehmhaus des Monats März führt uns in das kleine Dorf Oechlitz im Saalekreis. Hier steht die Ruine eines um 1869 errichteten Bauernhofes.

Nachdem das Lehmhaus des Monats Februar gezeigt hat, wie die fachgerechte Sanierung den Charme eines Lehmhauses wiederherstellen kann, zeigen die verfallenden Gebäude in Oechlitz, was mit Lehmbauten passiert, die vergessen und den Elementen überlassen werden. Von dieser Scheune aus Wellerlehm stehen nur noch die Grundmauern. Ein Schicksal das viele Lehmbauten in Mitteldeutschland trifft; häufig werden sie abgerissen oder aufgrund von Geldmangel oder fehlendem Wissen um die Bedeutung des Baustoffs und die fachgerechte Sanierung dem Verfall überlassen. So trist der Blick auf die maroden Wände dieses Baus doch sein mag, so zeigt er doch die zahlreichen positiven Eigenschaften des Baustoffs Lehm auf. Leicht zu erkennen ist vor allem die Zusammensetzung des Baus. Es handelt sich bei der Scheune um einen Wellerlehmbau, dies erkennt man an den horizontal verlaufenden Linien zwischen den verschiedenfarbigen, ca. 70 cm hohen Lehmstöcken oder -sätzen.

Der Wellerlehmbau war in Mitteldeutschland insbesondere im 19. Jahrhundert die häufigste Lehmbauweise, da sich die Gebäude wesentlich schneller und einfacher errichten ließen als aus Stampflehm.

Abseits handwerklicher Aspekte spielt auch die Ökologie eine Rolle. Lehm als Naturprodukt lässt sich zu 100 % recyceln oder wird aufgrund seiner Wasserlöslichkeit wieder eins mit seiner Umgebung ohne nichtabbaubare Rückstände zu hinterlassen. Ökologische Verträglichkeit - zu beobachten in Echtzeit.

Darüber hinaus bieten die brüchigen Lehmwände der Scheune Kleintieren, Vögeln und Insekten Lebensraum. Insbesondere für die unter Naturschutz stehenden Solitärbienen, die kleine Höhlen in das Material graben, stellen Lehmwände ein ideales Habitat dar.

Hinsichtlich dieses verfallenden Lehmbaus bieten sich verschiedene Umgangsmöglichkeiten an. Der Bau könnte, so schade es auch sein mag, den Elementen überlassen werden und somit immerhin für die Tier- und Pflanzenwelt einen Lebensraum darstellen. Der Baustoff würde nach und nach durch Witterung und Tierwelt abgetragen, ohne dabei eine Belastung für die Umwelt darzustellen. Andererseits könnte das Material der Wellerwände abgetragen und bei der Sanierung anderer Lehmbauten ohne Quailitätsverlust wiederverwendet werden.

Weitere Fotos dieses Gehöfts findet Ihr auf unserem Facebook- und Instagram-Account.

Text: Lea Schulte
Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Februar 2023

Ausgezeichnet mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege

Denkmalgerecht saniertes Wohnhaus in Stampflehmbauweise in Dessau-Großkühnau

Das Grundstück überwuchert, marodes Balkenwerk, die Giebelseiten eingefallen und zuletzt nur noch als Schafstall genutzt - so übernahm unser Beiratsmitglied Jörg Singer das um 1860 erbaute Bauernhaus in Stampflehmbauweise im Dessauer Stadtteil Großkühnau. In den folgenden vier Jahren hat er das Haus mit viel Liebe zur historischen Bausubstanz fast vollständig in Eigenleistung material-, fach- und vor allem denkmalgerecht saniert. Sein Anspruch war dabei so authentisch wie möglich zu bleiben und ausschließlich Materialien und Techniken anzuwenden wie sie im 19. Jahrhundert verwendet worden sind. Im ersten Schritt kaufte er sich ein Buch zum Stampflehmbau (Niemeyer 1946 - siehe Literaturliste), las es durch und rekonstruierte anhand dieser Vorgaben die Hauswände. Die Stampflehmsubstanz war durchfeuchtet und instabil geworden. Daher wurde das Dach abgestützt und die Mauern in der üblichen Schalungsbauweise mit dem wiederverwendeten originalen Baulehmlehm erneut hochgestampft.

Auch für alle anderen Bauteile wie die Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln, Dielenbretter und Deckenbalken verwendete er originale historische Baustoffe, die er sich aus Abrissobjekten in der Umgebung holte und ihnen so ein zweites Leben einhauchte. Baumarktbesuche waren so gut wie gar nicht notwendig und auch nicht gewollt.

Die Fenster hat er nach einem letzten erhaltenen Originalbefund von einem lokalen Tischlereibetrieb aufwändig nachbilden lassen. Selbst die Beschläge ließ er zusätzlich von einem Schmied nach den originalen Vorlagen anfertigen. Es dauerte eine Weile noch Handwerker zu finden, die seinen Wünschen nach bester handwerklicher Qualität und Authentizität nachkommen konnten.

Das kleine, ursprünglich dreiseitig angelegte Gehöft war ein sogenannter Kossäten-Hof, also ein Anwesen von kleinbäuerlichen Dorfbewohnern mit geringem Landbesitz. Das Haus zählt zu den ältesten erhaltenen Gebäude Großkühnaus. Zum Hof gehört auch eine kleine Scheune aus gleicher Zeit, die Jörg Singer mit der gleichen Sorgfalt saniert hat.

Für die Sanierung wurde Jörg Singer im Jahr 2008 mit dem "Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege" von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ausgezeichnet. In unserem wissenschaftlichen Beirat wirkt Jörg Singer als Vertreter der privaten Bauherrenseite die das mitteldeutsche Massivlehmbauerbe schätzen und erhalten wollen.

Weitere Fotos vom Haus findet Ihr auf unserem Facebook- und Instagram-Account.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Januar 2023

Wohnhaus in Markwerben, Lkr. Burgenlandkreis

Unser Lehmhaus des Monats ist ein ehemaliges Wohnhaus in Markwerben nahe Weißenfels im Burgenlandkreis - einer Kernregion der mitteldeutschen Massivlehmtradition. Das Erdgeschoss des noch weitgehend ursprünglich erhaltenen zweigeschossigen Gebäudes ist traufseitig auf einem Naturstein- und Ziegelsockel aus massiven Lehmwänden (Wellerlehmtechnik) errichtet worden. Das Obergeschoss wurde regional typisch als Fachwerkkonstruktion aufgesetzt. Ganz pragmatisch ist die westliche (wetterseitige) Giebelwand vollflächig aus Ziegelsteinen gemauert worden, wohingegen die Kombination aus Wellerlehm- und Fachwerkgeschoss bei der östlichen (wettergeschützten) Giebelwand wiederholt wurde.

Die Gefache des Obergeschosses sind mit Ziegelsteinen ausgemauert und verputzt. Die bläuliche Farbe des Anstriches ist womöglich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgebracht worden, einer Zeit als mit der Erfindung von synthetischen Blaupigmenten solche auch für die ländliche Bevölkerung erschwinglich geworden waren. Da der Kern des Gebäudes, etwa anhand des original erhaltenen Türtypus, wahrscheinlich mindestens in das 18. Jahrhundert datiert, ist davon auszugehen, dass die Ausfachung der Holzkonstruktion irgendwann erneuert wurde. Nicht unwahrscheinlich ist, dass diese ursprünglich auch mit ungebrannten Lehmsteinen ausgemauert war.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Dezember 2022

Ausgezeichnet! - Fachgerecht saniertes Wellerlehmhaus in Leipzig erhält den Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege 2022 der Kulturstiftung Leipzig

Das kleine um 1830 errichtete Tagelöhnerhaus in Wellerlehmbauweise ist eines der wenigen erhaltenen Gebäude des historischen Ortskerns von Lössnig, heute Stadtteil im Leipziger Süden. Es gehört zum Gelände der Freien Waldorfschule Karl-Schubert und war Teil eines alten Rittergutes, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. Mit der behutsamen Sanierung des vom Verfall stark bedrohten Kleinodes in den Jahren 2017 bis 2018, hat die Schule als Bauherrin das Gebäude nicht einfach nur gerettet sondern dem Lehmbau auch denkmal- und materialgerecht wieder ein zweites Leben eingehaucht. Auch in seiner Innenausstattung mit Lehmputzwänden und Naturholzeinbauten bietet es den Schülern heute als Schulcafé ein ausgesprochen angenehmes Ambiente.

In den ländlichen Gebieten im Leipziger Umland finden sich heute noch zahlreiche Massivlehmbauten, die meisten davon in der Lehmwellertechnik errichtet. Dabei wird ein durchfeuchtetes Stroh-Lehm-Gemisch mit der Mistgabel auf einem Natur- oder Ziegelsteinsockel aufgeschichtet. Nach der Trocknung werden die Wände mit einem geraden Spaten abgestochen und die nächste Lage darüber aufgehäuft bis die gewünschte Mauerhöhe erreicht ist.

Im Fall des Tagelöhnerhauses wurde der Sockel aus Ziegelsteinen mit verputzt, sodass er nicht mehr sichtbar ist. Die Außenwände wurden mit Kalk und die Innenwände mit Lehmmörtel verputzt.

Für die vorbildliche Sanierung wurde der Schule als Bauherrin nun im Rahmen der Denkmal-Messe in Leipzig der Hieronymus-Lotter-Preises für Denkmalpflege 2022 der Leipziger Kulturstiftung verliehen. Grund genug für uns das Tagelöhnerhaus auch gleich als Lehmhaus des Monats Dezember zu machen. Das GOLEHM-Bündnis ist hocherfreut, dass das mitteldeutsche Massivlehmbauerbe auf diese Weise nocheinmal positive Aufmerksamkeit erhält.

Bauherr: Karl Schubert Schule Leipzig, Freie Waldorfschule e. V.

Architekt: Hartmut Sebastian Schneider, Leipzig

Tragwerksplanung und Fachplanung Lehmbau: ZRS Ingenieure, Berlin

Ausführung Lehmbauarbeiten: Lovis Lehmbau, Dreiskau-Muckern

Weitere Bilder finden Sie unter Aktuelles.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats November 2022

Stampflehmscheune in Süßenborn OT Weimar

Auch im ländlichen Raum Thüringens lassen sich viele Zeugnisse des mitteldeutschen Massivlehmbauerbes entdecken. Neben zahlreichen Wellerlehmgebäuden und Bauwerken aus Lehmsteinen, ist hier auch die historische Stampflehm- oder Pisébauweise belegt. An dieser Scheune im Dorf Süßenborn, einem Ort östlich von Weimar, wird die Bautechnik besonders veranschaulicht: über einem Natursteinsockel, der vor aufsteigender Feuchtigkeit schützen sollte, wurde in einer Verschalung aus Holz lagenweise Lehm eingebracht und festgestampft. Hier wurden die einzelnen Stampflagen durch die Einlage von Dachziegelbruchstücken voneinander getrennt. Aufgrund stellenweise noch erkennbarer Putzreste war das Gebäude wohl einst weiß verputzt. Durch das Fehlen der Putzschicht ist die Tragfähigkeit der Wände jedoch nicht gefährdet:

 

auch bei Schlagregen bleiben die Lehmschichten geschützt, da das Wasser an den überstehenden Dachziegellagen abtropft. Der in Fachwerkbauweise errichtete Giebel ist mit recht grob Ziegelsteinen ausgefacht. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Gefache einst auch mit Lehmsteinen ausgemauert waren und - wie im Fachwerkbau üblich - irgendwann erneuert worden sind.

Mit der Stampflehmtechnik sollte eine höhere Festigkeit des Lehms erzielt werden. Gleichzeitig wurde die Trocknungszeit deutlich verkürzt, da im Gegensatz zum nassen Stroh-Lehmgemisch beim Wellerlehm, nur erdfeuchter Lehm gestampft wurde. Dennoch war die Stampflehmtechnik aufgrund der Holzschalung mit einem höheren Aufwand verbunden und blieb in Mitteldeutschland gegenüber den Wellerlehmbauten auch deshalb in der Minderzahl.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats Oktober 2022

Lehmsteinscheune in Klosterhäseler, Burgenlandkreis

Gebäude aus massivem Lehm prägen den ländlichen Raum Mitteldeutschlands seit Jahrhunderten. Während der Lehmwellerbau die vorherrschende Massivlehmtechnik in der Region war, sind Bauten aus Lehmsteinen  - also ungebrannten, luftgetrockneten Lehmformsteinen vergleichsweise selten. Viel häufiger finden sich Lehmsteine in Form von Ausfachungen an Fachwerkkonstruktionen. Im Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts - einer Hochburg des Massivlehmbaus - finden sich dennoch einige Zeugnisse dieser historischen Lehmbauweise.

Der vordere Teil dieser großen Scheune in Klosterhäseler ist ein Beispiel dafür, dass auch großformatig mit Lehmsteinen gebaut wurde. Der hintere Teil wurde dagegen ganz traditionell in Wellerlehmbauweise errichtet - die Trennung beider Techniken lässt sich an der veränderten Wandstruktur im Bereich des Fallrohrs der Dachrinne gut erkennen. Die Scheune ist Teil eines großen Dreiseithofes, dessen Gründung vermutlich in das 19. Jahrhundert gelegt werden kann. Da die Wirtschaftsgebäude in der Regel unverputzt blieben, ist die mitteldeutsche Massivlehmtradition an ihnen besonders gut erkennbar und belegt gleichzeitig die hohe Stabilität und Dauerhaftigkeit von Lehmhäusern.

Text & Foto: Norma Henkel


Lehmhaus des Monats September 2022

Vollhardthaus, Dölitzer Wassermühle in Leipzig

Die Dölitzer Wassermühle ist ein denkmalgeschützter historischer Mühlenhof im Leipziger Süden. Zu dem Denkmalensemble, bestehend aus mehreren Fachwerkhäusern aus vier Jahrhunderten, gehört auch das sogenannte Vollhardthaus, ein kleines, in Lehmwellerbauweise errichtetes Massivlehmhaus. Zur Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) lebte hier der Gerichtsschöffe Gottlieb Vollhardt, nach dem das Lehmhaus benannt ist. Das im 18. Jahrhundert errichtete Haus war bis in die 1980er Jahre bewohnt und wurde in den letzten Jahren durch verschiedene Baumaßnahmen behutsam denkmalgerecht und ökologisch saniert. Die Innen- und Außenwände wurden mit Lehmputz versehen und verstärken so den ganz eignen Charme des Lehmhauses. Heute wird das Haus als Galerie für Fotoausstellungen genutzt. Um den Erhalt der Dölitzer Wassermühle kümmert sich bereits seit 1992 der Verein Grün-Alternatives Zentrum Leipzig e. V.

Auf dem Gelände gibt es zudem auch einen Lehmbackofen der bei Hoffesten und Veranstaltungen angeheizt wird.

Unser Tipp: zum Tag des offenen Denkmals 2022, am 11. September, wird am Vollhardthaus eine Schaubaustelle eingerichtet, in deren Rahmen schadhafte Stellen am Außenputz abgeschlagen und neu verputzt werden. Dabei bietet sich Besuchern die Gelegenheit einem erfahrenen Lehmbauer über die Schulter zu blicken und dabei spannende Einblicke in das Bauen mit Lehm zu erhalten. Zusätzlich können Kinder ihr eigenes Mehl mahlen, Lehm kreativ gestalten oder Lehmziegel herstellen und eine Mühlenrallye über das Gelände machen. Weitere Infos zur Schaubaustelle gibt es auf der Webseite der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Unsere Empfehlung für einen Besuch vor Ort - nicht nur zum Tag des offenen Denkmals!

Text & Foto: Norma Henkel